Foto Edgar Einemann Prof. Dr. Edgar Einemann

Schröder, Gerhard

Gerhard (Gerd) Schröder kenne ich seit dem Juso-Bundeskongress 1971 in Hannover. Gerd war der Vorsitzende des Juso-Bezirks Hannover und damit der machtpolitische Chef einer Strömung, die theoretisch in der Tradition des SDS und in der Nähe des linkssozialistischen Offenbacher "Sozialistischen Büros" stand. Bei den Jusos war das eine aussichtslose Minderheiten-Position - die von Heidi Wieczorek-Zeul (machtpolitisch) und Johanno Strasser (ideologisch) angeführten "Reformsozialisten" dominierten. Kandidaturen aus dem Bezirk Hannover für den Juso-Bundesvorstand  hatten zu Beginn der siebziger Jahre keine Chance (Detlev von Larcher scheiterte später mehrfach kläglich). Übrigens: Willy Brandt war in seiner Jugend Mitglied der SAPD, einer linkssozialistischen Abspaltung von der SPD.

Durch eine geschickte Bündnisstrategie hat es Gerd Schröder schließlich 1978 geschafft, mit Hilfe der "Stamokap-Fraktion" zum Bundesvorsitzenden der Jusos gewählt zu werden. 1979 hat Gerd als Vorsitzender hier klar Position bezogen: "Was die Stamokap-Position angeht, so habt Ihr übersehen, daß ich mich von Beginn der Diskussion an dafür eingesetzt habe, daß diese theoretische Position - jedenfalls in der inhaltlichen Ausrichtung, in der sie von Detlev Albers entwickelt wurde, zum Spektrum der Sozialdemokratie gehört."

Als Juso-Bundesvorsitzender hat er 1980 den Juso-Bundeskongress zu einem Solidaritätsbesuch bei den Platzbesetzern am geplanten Atom-Endlager in Gorleben geführt. In seiner Rolle war Gerd Schröder auch der verantwortliche Herausgeber der Juso-Theoriezeitschrift "Sozialistische Tribüne" - man sollte ihn allerdings für die Inhalte wirklich nicht haftbar machen!

Den Versuch des "Göttinger Kreises" als Nachfolge-Organisation der "Antirevisionisten", Gerhard Schröder im Gefolge der Juso-Gewerkschaftsdebatte als Mitherausgeber der Zeitschrift "Sozialist"zu feuern, wurde von diesem allerdings als "dreist" zurückgewiesen. In einem persönlichen Papier hat sich Gerd Schröder 1979 dann von seinen alten Freunden abgesetzt: "Den Unsinn, den Ihr in Eurem offenen Brief zur Gewerkschaftsfrage geschrieben habt, auch noch marxistisch zu nennen, ist schon ein starker Tobak. Das gleiche gilt für Eure Bemerkungen zur Funktion des Staates sowie zu den Rahmenbedingungen der Politik der SPD. Wenn Ihr die 'marxistischen Kräfte bei den Jungsozialisten und in der Partei' seid, dann mag der Klassengegner beruhigt sein: die Revolution wird auf sich warten lassen."

Gerd Schröders Aufstieg zum Ministerpräsidenten und Bundeskanzler habe ich zusammen mit seinem langjährigen Mitarbeiter Heinz Thörmer (über 25 Jahre vom Juso-Sekretär in Hannover bis zum Büroleiter des Kanzler-Kandidaten) nachgezeichnet und auch eine Einschätzung der Regierungszeit von Rot-Grün vorgenommen.