Edgar Einemann

Steuerfrei. 2013. (Schmidt/Konopatzki).

Der Film (45 Min.) wurde am 19.8.2013 erstmalig ausgestrahlt (ARD).

Der Film (mit dem Untertitel „Wie Konzerne Europas Kassen plündern“) beginnt mit der Kritik daran,  dass die Steuerzahler in Europa die maroden Banken stützen und Schulden machen müssen, während die großen Konzerne zugleich mehr Steuern hinterziehen (ca. 1 Billionen Euro pro Jahr), als die ganze Eurokrise kostet. Beklagt wird, dass es bei den Unternehmenssteuern kein Mindestniveau in der EU gibt und eine einheitliche EU-Zinssteuer-Richtlinie nach fünfjährigen Verhandlungen nicht verabschiedet war, weil das nur einstimmig geht und Luxemburg und Österreich nicht mitgemacht haben.
Es wird z. b. darauf hingewiesen, dass ein Land wie Italien die meisten Millionäre hat und viele Konzerne Riesenprofite machen – ein Unternehmen wie Dolce und Gabbana aber sehr viel über eine Firma namens GADO in Luxemburg abwickelt und man untersucht, ob es sich um einen Fall von Steuerflucht oder „nur“ um eine legale Steueroptimierung handelt. Das Gerichtsverfahren in Mailand endete nach 6 Jahren mit einem Schuldspruch und trotz vieler Verjährungstatbestände mit einer Haftstrafe von 20 Monaten auf Bewährung. Steueroasen in der EU ermöglichen  z. B. US-Unternehmen, den in den USA fälligen Steuersatz von 35% erheblich zu reduzieren; so zahlt angeblich Microsoft einen Steuersatz von 11%, Google von 3% und Apple von 1%. Eine (angeblich z. B. von Starbucks, Apple und Ikea genutzte) Methode besteht darin, Lizenzzahlungen oder Zinszahlungen aus Deutschland an Tochtergesellschaften in den Niederlanden oder in Irland  vorzunehmen, die dort kaum Steuern zahlen. So soll es einen konzerninternen Handel mit einem Volumen von 10 Billionen US-Dollar geben, der der Steuervermeidung dient.
Die Konzerne nutzen die Uneinigkeit der EU-Staaten aus. Nahezu alle großen US-Konzerne haben ihren Europa-Sitz in Irland, weil es hier die niedrigsten Unternehmenssteuern gibt. Trotz der der Krisen-Hilfen der EU an Irland in Höhe von über 45 Milliarden Euro betont der irische Finanzminister, nichts an dem Unternehmenssteuersatz von 12,5% ändern zu wollen. Der deutsche Finanzminister erklärt dazu, dass die bestehenden EU-Verträge den Mitgliedsstaaten die Zuständigkeit für die Steuer-Regelungen garantieren.
So ist es in der EU zu einem Steuersenkungs-Wettbewerb gekommen. Deutschland hat unter der Regie von SPD-Finanzministern den Steuersatz zunächst von 50% auf 40% gesenkt (Hans Eichel) und dann weiter auf 29,8% abgesenkt (Peer Steinbrück). Steinbrück begründete das mit dem Druck, die Abwanderung von Kapital zu verhindern. Die Steuerhöhe beträgt in Großbritannien 28,0 %, in Portugal 26,5% und in Irland 12,5%.
Erwähnt wird, dass Nicholas Jackson die Steueroasen in Europa näher untersucht und Prof. Lorenz Jarass das Steuerniveau der deutschen Konzerne analysiert hat. Für den Zeitraum von 2010 bis 2012 kommt er zu dem Ergebnis, dass viele Großkonzerne auf dem Gebiet der Steuervermeidung erfolgreich waren. Statt der vorgegebenen 29,8% haben weltweit real erreicht: Siemens 22%, BASF 20%, Deutsche Post 19%, VW 18% und EON 15%. Es besteht der Verdacht, dass es eine systematische Nutzung von Steuervermeidungsstrategien gibt. Insgesamt soll es 2.500 Tochterunternehmen deutscher Unternehmen in Steueroasen wie den Cayman-Inseln, Delaware/UISA, Luxemburg, den Niederlanden und der Schweiz geben. Behauptet wird, Großkonzerne hätten gleich eine Vielzahl solcher Tochtergesellschaften in Steueroasen: Siemens (46), BASF (40), Deutsche Post (70), VW (97) und EON (81).
Beklagt wird, dass es eine milliardenschwere Branche aus Beratungsfirmen gibt, die bei der Steuervermeidung hilfreich ist. In dieser „Steuervermeidungs-Industrie“ arbeiten gut bezahlte und hervorragend qualifizierte Leute auf globaler Ebene an Strukturen und Methoden, die den (in der Regel national agierenden) Finanzbeamten das Durchschauen der Mechanismen nahezu unmöglich machen. Im Film kommt Prof. Prem Sikka von der Universität Essex zu Wort, und es gibt einen Mitschnitt aus einem Untersuchungsausschuss des britischen Parlaments. Dort wurden Vertreter der "Big Four" der Wirtschaftsprüfung und Beratung (PWC, EY, KPMG und Deloitte) vorgeladen und haben zugegeben, auch Steuervermeidungs-Strategien zu verkaufen, bei denen das Risiko des Scheiterns bei 50% und mehr liegt - was als Rat zu illegalen Praktiken interpretiert wird.

Am Ende des Films wird mehr Transparenz gefordert: Unternehmen sollen offenlegen müssen, wo welche Umsätze generiert, welche Gewinne erzielt und welche Steuern bezahlt werden. Aktionspläne der G-20-Staaten und der OECD sind in der Diskussion, ihre Umsetzung würde aber die Zustimmung aller Beteiligten erfordern - und die ist kaum zu erreichen. Mein Kernsatz: "Wir brauchen mehr Regulierung in der Weltgesellschaft" wird wohl noch für einige Zeit ein Wunschgedanke bleiben.