Schmidt, E. & Cohen, J. (2013). Die Vernetzung der Welt. Ein Blick in unsere Zukunft. Reinbek: Rowohlt.
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Eric Schmidt und Jared Cohen aus der Spitze des Google-Konzerns leisten einen Beitrag zur Diskussion über Internet, Informationstechnologie und Gesellschaft: welche Entwicklungen des Internets sind heute erkennbar, welche Zukunft zeichnet sich für die Menschen, aber insbesondere für die Staaten und die Politik ab? Nicht die ja durchaus interessanten und von Google wesentlich geprägten Strukturveränderungen der Ökonomie stehen im Zentrum, sondern die Veränderungen des menschliche Lebens und des "Überbaus" der Weltgesellschaft.
Das Buch sollte eine Pflichtlektüre für alle Politiker sein, die glauben, auf ihrer jeweiligen (begrenzten) Ebene die Welt zu gestalten. Schmidt Cohen verweisen eindringlich auf Erkenntnisse, die nicht unbedingt neu sind, aber aus ihrem Mund eine besondere Bedeutung bekommen. Sie halten das Internet für das "größte Anarchismusexperiment aller Zeiten" (S. 13), das Internet ist für sie "der größte unregulierte Raum der Welt" (S. 14). Sie sehen die Welt erst am Anfang einer Entwicklung, die "nicht nur eine technische, sondern auch eine kulturelle Revolution bedeuten" (S. 16) wird und machen "Vorboten der anstehenden gesellschaftlichen Revolution" (S. 17) aus. Die Vernetzung durch das Internet wird "ein neues Zeitalter der Globalisierung einläuten - und zwar einer Globalisierung von Produkten und Vorstellungen", wobei "sich das Terrain so schnell ändert, dass kein Gesetz mehr mithalten kann" (S. 23). Prägend für die neue Zeit ist die zunehmende Gestaltungsmacht der global agierenden Internet-Konzerne: "Wir sind überzeugt, dass Portale wie Google, Facebook, Amazon oder Apple weitaus mächtiger sind, als die meisten Menschen ahnen... Diese Plattformen stellen einen echten Paradigmenwechsel dar... Mit Ausnahme von biologischen Viren gibt es nichts, was sich mit derartiger Geschwindigkeit, Effizienz und Aggressivität ausbreitet wie diese Technologieplattformen, und dies verleiht auch ihren Machern, Eigentümern und Nutzern neue Macht." S. 22).
Der in dem Buch formulierte Anspruch, eine Beitrag zur Gestaltung von Gesellschaft und Politik für die Zukunft zu leisten, ist mehr als löblich: "Die neuen digitalen Plattformen, Netzwerke und Produkte haben schon heute gigantische globale Auswirkungen. Um die Zukunft der Politik, Wirtschaft Diplomatie und anderer wichtiger Sektoren gestalten zu können, müssen wir daher die Revolution verstehen, die die Technologie auf diesen Gebieten bewirkt." (S. 23).
Ein Buch von fast 400 Seiten mit diesem Anspruch und vielen Details kann nicht kurz zusammengefasst werden. Das wird schon deutlich bei einem Blick auf die Hauptüberschriften der Buchkapitel, die auf die angesprochenen Problemkomplexe verweisen: Die Zukunft des Menschen (1.), von Identität, Zivilgesellschaft und Journalismus (2.), der Staaten (3.), der Revolution(4.), des Terrorismus (5.), der Konflikte und Kriege (6.) sowie des Wiederaufbaus (7.). Wichtig ist noch der Hinweis auf den Zeitpunkt der Publikation: im Frühjahr 2013 waren die Aktivitäten der NSA der Öffentlichkeit unbekannt, Edward Snowden hatte noch nicht ausgepackt.
Es kann hier nur darum gehen, einige (quer zu den Einzelfragen liegende) zentrale Gedanken der Autoren zu skizzieren, einzuordnen und sie für die weitere Diskussion aufzubereiten. Wobei, wie schon erwähnt, der für die Frage nach dem Zusammenhang von Internet, Informationstechnologie und Gesellschaft ebenfalls zentrale Themenbereiche "Wirtschaft und Arbeit" bei Schmidt/Cohen bestenfalls eine Nebenrolle spielt und deshalb hier nicht weiter behandelt wird. Und: immer, wenn bei Schmidt/Cohen von Internet-Folgen die Rede ist, geht es um die Entwicklung von Informationstechnologie und Internet insgesamt; so hat es z. B. Forschung, Entwicklung und Produkte im Zusammenhang mit Robotik und Künstlicher Intelligenz schon lange Zeit vor der Herausbildung des Internets gegeben, aber das Internet eröffnet Anwendungsmöglichkeiten in neuer Dimension.
Meine nähere inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Buch erfolgt entlang folgender Stichworte:
- Der Doppelcharakter des Fortschritts
- Viele Vorteile für die Mehrheit und digitale Klassengesellschaft
- Die Verletzlichkeit der Gesellschaft
- Überwachung, Freiheit und Datenschutz
- Diktatur, Zensur und Demokratisierung
- Strukturelle Unsicherheit des Internets
- Gedankensteuerung
- Staaten-Bündnisse im Wandel
- Globale Regulierung nötig. Handlungschancen und Akteure.
- Technologiekritik