Deutscher Bundestag. (2013). Schlussbericht der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Drucksache 17/12550. 17. Wahlperiode. 05.04.2013.
Da hat fast 3 Jahre lang (2010-2013) ein mit vielen Abgeordneten und Experten besetztes Gremium mit guter Verwaltungs-Unterstützung gearbeitet, um für den Bundestag und die Bevölkerung Aussagen zum Thema "Internet und digitale Gesellschaft" zu machen und politische Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Das Ergebnis ist leider mehr als dürftig.
Man nimmt den Schlussbericht, erwartet Analysen und Aussagen - und findet, sehr boshaft formuliert, den Report einer Selbsterfahrungs-Gruppe. Über 50% des Schlussberichts (S. 19-41) nehmen persönliche Erfahrungsberichte der Sachverständigen ("Nachlese") ein, die andere Hälfte (S. 6-19) wird über das Verfahren der Bürgerbeteiligung zu einzelnen Themenfeldern berichtet. Der genau Sinn der Ankündigung im Vorwort, "auf die Ergebnisse und Erfahrungen der ... Texte der zwölf Projektgruppen wird im ersten Kapitel dieses Schlussberichts verwiesen" (S. 4), wird bei einem Blick auf dieses Kapitel deutlich: auf weniger als einer Seite (S. 6) werden einige Erläuterungen zu Themen und Ergebnissen gegeben und eine Tabelle mit der Auflistung der 12 Zwischenberichte präsentiert. Das war's denn auch.
Eine Begründung für das selbst ausgestellte Armutszeugnis wird auch geliefert: Es "schien unmöglich, die Ergebnisse der zwölf Projektgruppen knapp zusammenzufassen." (S. 4). Genau das ist aber die Erwartung an eine hochkarätige Enquete-Kommission zu einem zentralen Thema unserer Zeit.
Das Problem beginnt schon bei der inhaltlichen Strukturierung der Arbeit. Warum gab es diese zwölf Projektgruppen, warum nicht 6 oder 24, was ist die Klammer und die gemeinsame Fragestellung? Was kennzeichnet denn die Gesellschaft im Wandel, welches sind die zentralen Trends in Informationstechnik und Internet-Entwicklung, welche Strukturen werden verändert, wer wird wie betroffen, welchen politischen Entscheidungsbedarf gibt es, was kann auf welcher Ebene (z. B. der nationalen) überhaupt politisch entschieden werden? Alles weitgehend Fehlanzeige.
Unbestritten ist, dass wichtige Themen in dem einen oder anderen Zusammenhang diskutiert und politische Ideen entwickelt worden sind. Die Parzellierung kann auch Ausdruck der Zersplitterung der politischen Zuständigkeiten sein: Internet-Politik wird nicht als Querschnittsaufgabe von Gesellschaftspolitik definiert, sondern findet in einzelnen "Schubkästen" statt: Da ist dann für die Medienkompetenz der Bürger im Zweifel die Bildungspolitik und für den Verbraucherschutz das entsprechende Ministerium zuständig.
Wer sich mit dem Stand der Diskussion zu "Internet und Gesellschaft" im politischen Raum Deutschlands auseinandersetzen will, der muss sich wohl oder übel mit den Einzelberichten der Projektgruppen der Enquete-Kommission auseinandersetzen. Die nur begrenzt strukturierte Gesamt-Perspektive wird deutlich an den großen Disproportionen zwischen den einzelnen Berichten, deren Länge nicht ihrer jeweiligen Relevanz geschuldet zu sein scheint. Hier gibt es einen Bericht mit über 160 Seiten ("Kultur, Medien, Öffentlichkeit"), einmal scheinen auch ca. 25 Seiten zu reichen ("Internationales und Internet Governance"). Wenn man die insgesamt mehr als 1.100 Seiten gelesen und verarbeitet hat, ist man sicher klüger. Die Mühe der Erarbeitung einer zusammenhängenden Analyse und eines abgestimmten Handlungsprogramms muss man sich allerdings noch machen.
Die Themenfelder und Quellen für die Berichte: