Edgar Einemann

Albtraum Atommüll

Es handelt sich um einen Dokumentarfilm aus dem Jahr 2009, bei dem die ungelösten Probleme der "Entsorgung" und der Endlagerung von Atommüll im Zentrum stehen. Der Film wurde am 13.10.2009 auf ARTE ausgestrahlt.
Auf der DVD-Hülle wird auf eine Rezension des Magazins FOCUS hingewiesen: "Die Doku muss keine Bilder von Tschernobyl zeigen, um Betrachter in eine schlaflose Nacht zu schicken.... ARTE beleuchtet, wie weit AKWs die Umwelt belasten, selbst wenn die Anlagen völlig problemlos funktionieren." Der Film ist vor der Katastrohe von Fukushima entstanden und bildet auch für das, was da noch passieren kann, eine erschreckende Hintergrund-Information.
Zunächst wird die „klassische Methode“ der Entsorgung von Atommüll gezeigt: Es wurden über 100.000 Tonnen radioaktiver Abfall in Fässern in die Meere gekippt, die inzwischen zumindest teilweise verrostet sind – der Atommüll ist in die Umwelt“ scheinbar im Meer verschwunden, gelangt aber z. B. über die Fische in die Nahrungskette. Nach vielen spektakulären Greenpeace-Aktionen kam es im Jahr 1993 zu einem Verbot dieser Praxis – nicht aber zum Verbot des Einleitens radioaktiver Abfälle in das Meer, was vor der Aufbereitungsanlage im französischen La Hague gezeigt wird. Greenpeace hat hier auch die permanente Belastung der Umwelt durch Gase mit  radioaktiven Elementen nachgewiesen, die von Zerschneiden von abgebrannten Brennstäben stammen. Die Grenzwerte werden dem Bedarf der Atomanlage entsprechend in Absprache von Betreiber und Aufsichtsbehörde festgelegt.
Die jeweilige Methode zur Festlegung von Grenzwerten wird kritisiert: wenn man von einer einmaligen Schädigung wie bei der Explosion einer Atombombe ausgeht, führt nur eine relative hohe Belastung zu schnell messbaren Schäden. Wenn es aber eine radioaktive Dauerbelastung gibt, reichen auch kleinere Dosen für das Entstehen schwerer gesundheitlicher Schäden wie Krebs.
Das wird gezeigt am Beispiel einer Region in Russland um die Kerntechnische Anlage Majak, die von einem großen und lange verschwiegenen Atomunfall im Jahr 1957 betroffen war – und bis heute ist. Die Verstrahlung des Flusses Tetscha und seiner Ufer ist dramatisch, und die Bevölkerung ist seit über 50 Jahren (weitgehend unaufgeklärt) massiven Belastungen ausgesetzt. Eine Ärztin (Epedimiologin) aus dem regionalen Krankenhaus berichtet über die Ergebnisse der jahrzehntelangen Forschung und formuliert klar, dass einen unzweifelhaften Zusammenhang zwischen der Höhe der Strahlendosis und den Krebserkrankungen gibt. Ein Betroffener sagt: Die Bombenbauer  bekommen das Heldenkreuz und wir das Friedhofskreuz.
Im Zentrum des Films steht die Aufklärung über das Märchen vom Recycling des Atommülls im Sinne eines „geschlossenen Kreislaufs“. Gezeigt wird, wie das Uran nach der ersten Wiederaufarbeitung über 8.000 Km von Frankreich nach Russland geschafft, dort nur teilweise wieder angereichert und dann zu 80% dort (in der von der Außenwelt abgeschnittenen sibirischen Stadt Sewersk, früher Tomsk) bis auf weiteres auch überirdisch (als inzwischen russisches Eigentum) gelagert wird. Ein US-Experte hält auch die in den USA übliche Lagerung von Atommüll in Wasserbecken für unverantwortlich und glaubt, dass die „deutsche Lösung“ der Lagerung unter einem Betonmantel wenigstens einen größeren Schutz vor Flugzeugabstürzen und terroristischen Anschlägen bietet. Gewartet wird immer noch auf eine Lösung zur (möglichst) gefahrlosen Verwendung bzw. Lagerung von radioaktiven Abfällen.         
Angeblich könnte es im Jahr 2050 ein neues Verfahren zur Problemlösung geben. Zumindest bis dahin bleibt das Problem der Lagerung. Als eine Idee aus Frankreich wird die unterirdische Einlagerung hochradioaktiven Materials in Tonschichten vorgestellt, denen nach der Auflösung von Glashüllen und Stahlfässern zugetraut wird, die Radioaktivität in ca. 500 m Tiefe für die nächsten 100.000 Jahre sicher (weil später unzugänglich) zu kapseln. Der Film verweist darauf, dass man hier für die nächsten 6.000 Generationen plant und glaubt, irreversible Festlegungen für nicht absehbare Zeithorizonte verantworten zu können.
Ein französischer Wissenschaftler sagt, die Kernenergie habe eine gute Zukunft – sie müsse nur die drei Probleme der Sicherheit, der Demokratie und der Abfälle lösen. Danach sieht es derzeit nicht aus.
Bei diesem Thema und in diesem Film geht es um mehr als „nur“ um eine Technologie mit einem unvorstellbaren Bedrohungspotential. Es geht auch um Fragen von Ethik, Moral und Verantwortung. Die werden an vielen Stellen angesprochen und verdienen eine zusammenfassende Erwähnung. Einige Beispiele hierfür:
Da wurde strahlender Müll in Fässern ins Meer gekippt, die schon nach einigen Jahrzehnten durchgerostet waren, es werden (z. B. in La Hague) permanent radioaktives Wasser und radioaktive Gase in die Umwelt geleitet – und die zulässigen Grenzwerte werden schlicht dem jeweiligen „Entsorgungsbedarf“ angepasst.
Da wurde im Umfeld der ersten Atomanlage in den USA (Hanfort Site, seit 1943) trotz bekannter radioaktiver Verseuchung des Flusses kein Badeverbot für Menschen und Kleinkinder ausgesprochen.
Da wurde ein russischer Kritiker, der 1976 von dem sehr schweren Atomunfall im Jahr 1957 (in der Anlage Majak) berichten konnte, nicht weiter beachtet. Der Unfall war den russischen Behörden und auch der CIA bekannt, wurde allerdings 30 Jahre geheim gehalten – und die Menschen wurden nicht evakuiert. Damals sollte der bevorstehende Siegeszug der Kernenergie wohl aus ökonomischen und strategischen Interessen nicht gefährdet werden.
Da wird eine nicht rückholbare Technologie eingesetzt, ohne die Frage der Entsorgung geklärt zu haben. Die Menschheit wird mit hochradioaktiver Strahlung für über 100.000 Jahre belastet, ohne über eine Lösung für die sichere Eindämmung dieser Quelle zu haben.     
Da verweist ein hochrangiger Stratege (Kommissar für Atomenergie) aus Frankreich darauf, die Menschen müssten schlicht Vertrauen in die Experten haben, das sei überall so, sonst würde nichts funktionieren. Und in der unterirdischen Tonschicht forschende Ingenieure glauben wirklich, sie könnten dort hochradioaktiven Atommüll, der schon bald nicht rückholbar ist, für über 100.000 Jahre ohne große Risiken einlagern (Motto: lieber der Geologie als den Menschen vertrauen).