Foto Edgar Einemann Prof. Dr. Edgar Einemann

Rosenbaum, Ulrich (08.11.1945-10.04.2021)

In der BILD-Zeitung hat Martin S. Lambeck in seiner Weinkolumne "Abschied vom Rotwein-Mentor" Ulrich Rosenbaum genommen, der im April 2021 verstorben ist. Zur Einführung erläutert Lambeck: "Der wohnte bei Bonn in einem Haus mit dem damaligen SPD-Politiker Peter Glotz, war (im Gegensatz zu mir) überzeugter Genosse, arbeitete bei BILD und später bei der WELT. Bei ihm traf man Promis wie Horst Ehmke. Als guter Sozi hatte er natürlich auch ein Haus in Italien und eine hochintellektuelle Ehefrau, die damals Büroleiterin bei Altkanzler Helmut Schmidt war. Klar: Bei solchen Menschen gibt's italienische Luxusweine, die man sich bis dahin nicht geleistet hatte. Eine Welt tat sich auf."

Ich habe Ulrich Rosenbaum während meiner Bonner Zeit 1992/93 im Umfeld der SPD nur von Weitem wahrgenommen und bin erst spät auf seine Homepage und seine hervorragenden Beiträge zu einem Teil der Geschichte der SPD aufmerksam geworden.

Rosenbaum bereiste mit seiner Frau die Toskana seit 1970 und lebte seit 1978 mehrere Wochen im Jahr im eigenen Haus in Montepulciano. Er hatte eine eigene Website zur "Toskana-Fraktion" in der SPD erstellt, auf der er Einzelheiten zur Anwesenheit von SPD-Prominenten in der Toskana berichten und die in den Medien verbreiteten Geschichten korrigieren kann. Die wenigsten der Bekannteren aus der "Enkel-Generation" haben wirklich in der Toskana Urlaub gemacht (Rosenbaums "who-is-who" gab detaillierte Auskunft), und die Bezeichnung diente mehr dem (diskriminierend gemeinten) Hinweis auf den gehobenen Lebensstil der linken Prominenz, die sich von der Arbeiter-Basis entfernt zu haben schien.

Die Website dokumentiert 18 Interviews, die Rosenbaum in der Zeit von 1989 bis 1992 mit Willy Brandt gemacht hat - dazu gehört das letzte Interview, das Brandt vor seinem Tod gegeben hat.

Rosenbaum präsentiert auch sein 1993 erschienenes und im Handel nicht mehr erhältliches Buch über Rudolf Scharping, das am Ende unter dem Stichwort "Personenbeschreibung" eine längere Passage unter dem Titel "Freude und Mitarbeiter" enthält. Hier hat Rosenbaum sehr gründlich recherchiert und viele interessante Informationen zusammengetragen: "Ein Freund iim engeren Sinne ist im Kabinett Wissenschaftsminister Jürgen Zöllner. Freunde sind auch Fraktionschef Kurt Beck, sein "Kronprinz", und Landtagspräsident Christoph Grimm. In Scharpings Regierungsteam für die Bundestagswahl gehören Oskar Lafontaine und Ulrich Maurer zu den persönlichen Freunden. In seiner täglichen Umgebung sind vor allem zu nennen: Staatskanzlei-Chef Karl-Heinz Klär, Regierungssprecher Herbert Bermeitinger und Büroleiter Friedhelm Wollner. Scharping und der zwei Jahre Friedhelm Wollner kennen sich seit 1967. Der Koblenzer Wollner zieht damals nach Lahnstein, macht ebenfalls bei den Jusos mit. Als Scharping dann Juso-Landesvorsitzender ist, führt Wollner den Unterbezirk Rhein-Lahn an. 1969 folgt er Scharping an die Bonner Universität, beide belegen die gleichen Fächer. Beide schreiben gemeinsam Aufsätze für Zeitschriften und Bücher. Und beide verdienen sich ihr Studium als Mitarbeiter im politischen Bereich. Wollner arbeitet im Kanzleramt bei Brandts ersten Planungschef Reimut Jochimsen (zuletzt Landeszentralbank-Chef in Nordrhein-Westfalen). Danach ist er Assistent bei der jungen Abgeordneten Herta Däubler-Gmelin. Als Scharping 1975 nach Mainz geht, übernimmt Wollner dessen Job beim Abgeordneten Dietrich Sperling. Als Sperling Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium wird, geht Wollner als Büroleiter mit. ... Als die SPD 1991 die Wahl in Rheinland-Pfalz gewinnt, läßt sich Wollner vom Bonner SPD-Fraktionschef Hans-Jochen Vogel nach Mainz "ausleihen", um zunächst als Fachmann bei den Koalitionsgespräche mit der FDP und den Grünen dabeizusein. Wie selbstverständlich wächst er in seine neue Aufgabe. Als die Regierung steht, bedarf es gar keiner Worte mehr zwischen den beiden Lahnsteiner Freunden: Wollner wird Leiter des Ministerpräsidenten-Büros. Friedhelm Wollner ist ein Mann, der ganz im Hintergrund wirkt. ... Wollner und Scharping sitzen im Sommersemester 1971 im Hauptseminar beim Politikwissenschaftler Karl-Dietrich Bracher. Ein dritter ist dabei, den man nach 1991 auf der Führungsetage in Mainz findet: Karl-Heinz Klär. Wie Scharping wurde er 1947 geboren. Er ist Saarländer, studiert zunächst in Saarbrücken. Im Sommersemester schreibt er sich in Bonn ein. Mit Scharping kommt es zu zu einer losen Freundschaft. Klär tritt in Bonn in die SPD ein, ist im Unterbezirk der Partei aktiv. Scharping vermittelt ihm einen Job arbeitet als Lektor beim Neuwieder Luchterhand-Verlag, zu dem er gute Kontakte hat. Dann arbeitet Klär beim SPD-nahen Verlag Neue Gesellschaft/J.H.W. Dietz und als Archivar bei der Friedrich-Ebert-Stifung. Nebenbei schließt er sein Studium ab, promoviert 1979 zum Dr. phil. 1980 bekommt er eine C-1-Stelle als Assistenzprofessor an der Gesamthochschule Kassel. Als 1983 der Posten des Büroleiters von Willy Brandt in der Parteizentrale frei wird, empfiehlt Brandts Freund Horst Ehmke, Bonner Bundestagsabgeordneter, Klär. Nach Brandts Rücktritt wird Klär unter dem neuen Parteichef Hans-Jochen Vogel Leiter der Abteilung für Politische Planung in der "Baracke". 1987 und 1991 hilft Klär Scharping im Wahlkampf. So ist es nach dem Sieg für die beiden ausgemachte Sache, daß er nach Mainz geht. Er wird Chef der Staatskanzlei, also höchster Beamter des Landes, und übernimmt damit nach 44 Jahren CDU-Herrschaft einen der heikelsten Posten. In der Zwischenbilanz bekommt Klär allenthalben gute Noten. Er hat den Laden im Griff, spielt sich nicht in den Vordergrund. Er pfuscht dem Regierungssprecher nicht ins Handwerk, hat aber ein Feld für sich reserviert: die Medienpolitik. Er vertritt die medienpolitischen Interessen des Landes Rheinland-Pfalz, ist Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung der Fernsehgebühren und hat die SPD-Länder bei der Schaffung des "nationalen Hörfunks" koordiniert. Scharping ist im Juni 1993 noch nicht zum neuen SPD-Chef gewählt, da wird Klär schon als künftiger Bundesgeschäftsführer gehandelt. Doch zwischen den beiden steht von vornerhein fest: Klärs Aufgaben liegen jetzt erst recht in Mainz, wenn sein Chef wegen bundespolitischer Verpflichtungen weniger Zeit für die Landespolitik hat. ... Eine Etage unter Scharping sitzt in der Staatskanzlei Regierungssprecher Herbert Bermeitinger, achtzehn Jahre älter als er, ein väterlicher Ratgeber, sozialdemokratisches Urgestein. Bermeitinger wird, nachdem er zunächst in der Bundestagsfraktion tätig war, 1969 Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Als wenig später Wilhelm Dröscher sein neuer Chef wird, stellt er seinen Posten zur Disposition. Doch Dröscher will ihn behalten. Bermeitinger, der 1979 nur knapp mit einer Kandidatur für das Europäische Parlament scheitert, ist ein wandelndes Lexikon und Geschichtsbuch. Er hat den Scharpings Weg seit dessen Einzug in den Landtag 1975 begleitet und ist sein loyaler Sprecher ab 1985, als Scharping Fraktionschef wird, dessen loyaler Sprecher. Die Umgebung im Regierungsalltag des Rudolf Scharping wäre unzureichend beschrieben, wenn man nicht auch seine Chefsekretärin Marie-Luise Fricker erwähnen würde, die er aus der Oppositionsetage mitbrachte, wo sie auch schon unter seinen Vorgängern die Seele des Büros war. Nummer zwei im Sekretariat ist Sonja Naab. Heike Raab ist seit 1993 seine persönliche Referentin. Zum engeren Stab gehören auch der Jurist Georg Wilmers und Rolf Engels als "Mädchen für alles". Engels, zu Scharpings Juso-Zeiten Vorsitzender des Unterbezirks Neuwied, war wie Wollner zuvor im Bundesbauministerium. Dieser Kreis setzt sich jeden Mittag am großen Tisch von Wollner zusammen, um gemeinsam zu Mittag zu essen. Man zahlt in eine gemeinsame Kasse, einer muß im Wechsel das Essen besorgen. Scharping vespert mit, wann immer es geht. Er liebt diese Art der Kommunikation, wo sich in den Gesprächen Dienstliches unmerklich mit Privatem vermischt. Und dienstags nach Feierabend tut sich dieser Kreis mit Wissenschaftsminister Zöllner und seinem Büro zusammen, um Volleyball zu spielen. Treue zu Personen zeichnet Scharping aus: Cheffahrer Dieter Wienerl hat ihn schon zu Oppositionszeiten kutschiert. Der zweite Fahrer, Rolf Arnold, ist Lahnsteiner, seine Tochter engste Freundin von Scharpings Jüngster, Julia. Scharping: "Ich hatte Rolf Arnold 1990 in einer für ihn schwierigen persönlichen Situation zu helfen versprochen und das nach gewonnener Wahl sofort eingelöst." Vertrauensvoll auch das Verhältnis Scharpings zu seinen "Bodyguards". Jupp Castor und Karlheinz Maron sind der harte Kern der Sicherheitstruppe, gehören fast zur Familie. Für die Scharpings gibt es keine "Standesfragen". Und die Freunde außerhalb der Politik? Da sind Fußballer wie Stefan Kuntz vom FC Kaiserslautern und Klaus Toppmöller zu nennen, inzwischen Trainer von Eintracht Frankfurt, andererseits Hans-Dieter Hüsch, der Barde und Kabarettist. Und Konstantin Wecker ist wohl sein ungewöhnlichster Freund. Der linke Liedermacher aus München, der sich am eigenen Schopf aus dem Drogensumpf gezogen hat, war einige Male zu Gast in Lahnstein. ... Scharping, der die "Toskana-Fraktion" der SPD zum Gegen- wenn nicht gar Feindbild erkoren hat (in dem großen Mißverständnis, es handele sich um ein Synonym für Luxus und Hedonismus; das Gegenteil ist der Fall: Toskana bedeutet Freude am einfachen Leben), besucht im Herbst 1991 Wecker auf dessen Landgut in Ambra, einem Dörfchen mitten im Dreieck Florenz-Siena-Arezzo. Das einzig Störende an dem Treffen ist die ständige Anwesenheit der italienischen Carabinieri, die vom Bundeskriminalamt über den hohen Privatbesuch alarmiert worden waren. Aber einmal können Wecker und seine Gäste ausbüchsen. In der "OsteriA Le Logge", gleich hinter der Piazza del Campo, genießen sie urwüchsige toskanische Küche. Gianni, der Küchenchef, präsentiert dem Gast stolz sein eigenes Kochbuch - mit einem Vorwort von "Le Logge"-Freund Otto Schily, dem Repräsentanten der Toskana-Fraktion, der gleich um die Ecke auf seinem Landgut im Arbia-Tal lebt, wann immer er Bonn entfliehen kann. ...