Finanzkrise 2008, Bankenrettung
Mit diesem Thema befasst sich ein von mir besprochener Film, der am 26.02.2013 auf ARTE ausgestrahlt wurde und auf YouTube abrufbar war. Es geht um die Frage, wohin eigentlich die Hilfsgelder für die Bankenrettung geflossen sind und wer sie (auch am Ende) bezahlt. Der Film basiert auf Recherchen des Tagesspiegel-Redakteurs Harald Schumann, der auch in Irland, Spanien und auf Zypern prominente Experten befragen konnte. Die Kernbotschaft des Films lautet: In der Finanzkrise gerettet werden nicht die kleinen Leute, sondern die Banken auf Kosten der Steuerzahler – akut der Steuerzahler in den Krisenländern, längerfristig wahrscheinlich auch auf Kosten der Steuerzahler in den „reicheren“ Ländern. So sind z. B. die Hilfsgelder für Irland nur durch Irland hindurchgeflossen. Vorrangig bedient wurden die Gläubiger, Bond-Holders, die den Banken Geld geliehen hatten – und denen über ein Clearingsystem Anonymität zugesichert wurde. Gerettet wurden also die Geldgeber der irischen Banken, die vor allem aus Deutschland, Frankreich und auch aus Großbritannien kommen.
Die Schlüsselrolle spielt die Europäische Zentralbank (EZB), die ohne Zustimmung des deutschen Direktors Jörg Asmussen und ohne Billigung der Bundesregierung nicht so agieren könnte, wie sie agiert (hat). Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, Jörg Asmussen und der spanische Wirtschaftsminister Luis de Guindos erklären in dem ARTE-Film etwas verklausuliert den politischen Hintergrund und das Leitmotiv der staatlich initiierten Aktivitäten – sie dienen letztlich der Rettung des Weltkapitalismus. Assmussen rechtfertigt rechtlich durchaus zweifelhafte Maßnahmen der EZB als unvermeidlich zur Rettung der Währung (deren Existenz ja die Voraussetzung für die Lösung der weiteren Aufgaben der EZB ist), Schäuble will (durch die Verschiebung von öffentlichen Milliarden zu den Banken) einen Zusammenbruch des gesamten Systems vermeiden (weil die Banken miteinander verflochten sind und es bei einer Bankenpleite die Gefahr einer Ansteckung und folgender Kettenreaktion mit weiteren Banken-Pleiten gibt), und der spanische Wirtschaftsminister erläutert die wirkliche Bedrohung sehr plastisch: es gehe nicht um die Vermeidung einer Entwicklung wie nach der Lehmann-Pleite (das war schon schlimm genug), sondern um die Verhinderung eines Zusammenbruchs der Weltwirtschaft wie in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagt, die Iren hätten das ausländische Geld mit dem Versprechen auf niedrige Steuern und wenig Kontrolle angelockt, und der Staat und das Volk hätten eine Zeit lang profitiert. Jetzt hafte das Volk für die Folgen falscher Politik. Eine Beteiligung der Gläubiger beinhalte die Gefahr der Ansteckung und eines System-Zusammenbruchs. Diese vordergründig nicht völlig unplausible Sichtweise wirft aber zumindest Fragen auf, z. B.: (1) Wurde das Volk denn gefragt, in welchem Maße die Banken ausländisches Geld anlocken und in welche Immobilienprojekte sie es investieren sollen? (2) Hatte das Volk eine Chance, die Regulierung der Finanzmärkte und der Banken zu beeinflussen? (3) Haben alle Investoren und Spekulanten ein Recht auf die (am besten noch garantiert verzinste) Rückerstattung ihrer Anlage-Gelder, oder gibt es ein unternehmerisches Risiko? (4) Wenn die Lasten für das Volk zu hoch werden und die Kredite nicht mehr bedient werden – haftet dann in der gleichen Logik der Steuerzahler aus anderen Ländern? (5) Wenn denn der Staat und der Steuerzahler Unsummen in die Banken investieren – dürfen diese Gelder denn verschenkt werden oder müssen sie nicht in Eigentum umgewandelt werden, damit nach der erfolgreichen Sanierung nicht wieder Private ohne wirkliche Haftung kassieren?
Es ist ja nicht auszuschließen, dass irgendwann die Deutschen mit ihrem Steuergeld für die Risiken haften, die Investoren in anderen Staaten eingegangen sind. Dieses Geld kam zu großen Teilen aus Deutschland. Auf mehr (AIG in den USA, HRE in Deutschland) und auf weniger (BANKIA in Spanien, IRISH ANGLO BANK in Irland) öffentlichen Listen der bisher mit Hilfe der öffentlich finanzierten Hilfsgelder bedienten Gläubiger taucht immer die DEUTSCHE BANK auf – allein von der AIG (vom Staat der USA „gerettete“ Versicherung) hat die DEUTSCHE BANK 12,6 Mrd. erhalten. Es lässt sich wohl nicht bestreiten, dass die bisher noch von den jeweiligen Völkern finanzierte Rettung von Banken im Ausland letztendlich zur Rettung der Banken in Deutschland geführt hat. Und eine spätere potentielle Haftung (für den Fall von Zahlungsausfällen) scheint aus nationaler Sicht zumindest kurzfristig besser als eine akute reale Haftung. Insofern ist wohl auch etwas dran an dem Satz, es wäre Zeit gewonnen worden – die Frage ist nur, wie sie genutzt werden kann, um die Wucht der aufgeschobenen und nicht gelösten Probleme zu reduzieren.
Bislang haften die deutschen Steuerzahler laut FAZ übrigens wohl mit maximal 211 Mrd. € für den „Rettungsfonds“ EFSF und mit bis zu 190 Mrd. für den „Stabilitätsmechanismus“ ESM. Über eventuelle Kosten für Defizite der EZB wird nicht geredet, aber die mit Instrumenten wie ELA und STEP verbundenen Risiken bewegen sich wohl unter 1 Billion € (nicht wirklich beruhigend). Aber die EZB hat angeblich allein 2012 an griechischen Anleihen 555 Mio. Euro verdient, und auch die Bundesbank soll sich an dem Anleihen-Kaufprogramm für Griechenland beteiligt haben – sie bunkert für den Fall von Problemen schon mal 14,4 Milliarden €. Angesichts der privaten Geldvermögen in Deutschland, die mit 4,8 Billionen € angegeben werden, scheinen die Risiken aber vorerst noch überschaubar.
Schriften | Buchbesprechungen | Literaturhinweise |
Fotos | Filme | Links |