Foto Edgar Einemann Prof. Dr. Edgar Einemann

Internet, Relevanz für Wahlergebnisse 

Anfang Mai 2013 haben viele Medien und auch heise.de unter Berufung auf das Meinungsforschungs-Institut FORSA gemeldet: „37 Prozent der Bundesbürger sehen Internet als wahlentscheidend an“ – unter den 18-29-jährigen waren es nach der repräsentativen Umfrage angeblich 48%. Behauptet wird, dass  32 Prozent der Bundesbürger aktiv am Internet-Wahlkampf teilnehmen. Mit 245.667 Unterstützern in sozialen Netzwerken bringt es Angela Merkel schon auf eine ernstzunehmende Größe, Peer Steinbrück ist mit 43.273 Sympathisanten noch weit von einer kritischen Schwelle entfernt.
Der Einsatz moderner Kommunikations-Technologien für die politische Arbeit war mir schon vor langer Zeit ein wichtiges Anliegen. Den  Betrieb eines Online-Informationssystems zur politischen Information habe ich lange vor der Internet-Zeit (Mailbox) zunächst in einem SPD-Ortsverein und später für den SPD-Parteivorstand realisiert. Aber: Deutschland ist nicht Obama-Land, bei uns spielen die Parteien eine viel größere Rolle als in Amerika und unser Land ist etwas kleiner.
Die politische Freude über die Botschaft der hohen politischen Internet-Relevanz wird leider relativiert durch wissenschaftlich begründete Zweifel. Diese Zweifel werden genährt durch eine sehr solide eigene empirische Forschung am Beispiel der Landtagswahlen in Bremen im Jahr 2011. Wir haben nicht (relativ unverbindliche) persönliche Meinungsäußerungen erhoben, sondern harte Fakten. Wir haben die Internet-Aktivtäten aller Kandidaten für das Kommunal- und das Landesparlament in Bremen und Bremerhaven sowie deren Nutzung des Web 2.0 untersucht, ihre persönlichen Wahlergebnisse erfasst und den Zusammenhang zwischen Internet-Aktivität und Wahlergebnis sowohl statistisch als auch qualitativ an einzelnen Beispielen untersucht. Das Resultat: es gab keinen politisch relevanten Zusammenhang zwischen den (schwachen) Internet-Aktivitäten von Kandidaten sowie deren Nutzung im Web 2.0 auf der einen und den persönlichen Wahlergebnissen auf der anderen Seite.


Unser Ergebnis von 2011 (S. 27-29):
Trotz der ernüchternden Ergebnisse kann man insgesamt durchaus von ersten Ansätzen einer Nutzung des Internet und einzelner neuer Elemente aus dem “Web 2.0″ durch eine größere Gruppe von KandidatInnen sprechen – allerdings auf niedrigem Niveau. Beachtenswerte Leistungen einzelner Ausnahmen deuten an, dass wir erst am frühen Anfang einer Entwicklung stehen – es gibt einen (wenn auch sehr) langsamen Einstieg in den modernen Internet-Wahlkampf….
Im Landtagswahlkampf bestätigt sich die “Verstärkungsthese”, nach der sich die neuen Möglichkeiten in besonderer Weise diejenigen zu Nutze machen, die schon „im Geschäft“ sind….Unsere Gesamt-Diagnose lautet trotz der überraschend geringen Nutzung der neuen Möglichkeiten nicht „Fehlanzeige Internet/Web 2.0“, sondern „schwache Nutzung mit wenigen positiven Ausnahmen“, was auf das Anfangsstadium einer absehbaren Entwicklung „hin zum Internet“ schließen lässt.
Für den Wahlerfolg spielt das Internet trotz statistischer Signifikanz heute zumindest auf kommunaler Ebene (so muss man wohl einen Stadtstaat mit weniger als 500.000 Wahlberechtigten einschätzen) nicht die Hauptrolle. Die Personenbetrachtung verweist auf die entscheidenden Faktoren: die Bekanntheit über die klassischen Medien und Verankerung in speziellen Communities bzw. in Teil-Öffentlichkeiten.