1968-70: Schüler-Initiativen
Die Geschichte der außerparlamentarischen Opposition begann in Bremen im Januar 1968 mit den Demonstrationen gegen die Erhöhung der Strassenbahnpreise. Das war die Geburtsstunde der antiautoritären Schüler-Bewegung, über die Detlef Michelers ein beeindruckendes Buch zusammengestellt hat. Dabei konnte ich mit vielen Dokumenten und Fotos helfen, die ich als "Blattmacher" der Zeitung "Schüler-Information" hatte.
1968 bekam der Unabhängige Schüler-Bund (USB) Zulauf, es gab Unterstützung von ehemaligen Bremer Schülern aus dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS). An den Schulen wurde für mehr Mitbestimmung gestritten, gegen das Zensurensystem agitiert und auch zu zweifelhaften Mitteln (wie den Klau von Klassenbüchern oder das Bemalen von Schulen) gegriffen (Eine Sondersituation herrschte am Gymnasium Huckelriede, wo sich 1968 der Kern des USB konzentriert hatte). Bei den meisten Aktionen bzw. Demonstrationen ging es aber um "große Politik" wie z. B. den Krieg der USA in Vietnam, die Verabschiedung der Notstandsgesetze und Aktivitäten der rechtradikalen NPD.
Zu den "Aktionen" gehörte auch ein Theaterbesuch: Das bundesweit berühmte kritische Bremer Theater (Intendant Kurt Hübner, Regisseur u. a. Peter Zadek) bot 1969 eine Aufführung des provokativen Gast-Regisseurs Rainer Werner Fassbinder. Viele kritische Schüler sollten ins Publikum mit dem Ziel, nach der Aufführung für viel Applaus zu sorgen - ein Fassbinder-Flop hätte keinen guten Eindruck gemacht..... Auf der gleichen Wellenlänge lag der "politische" Komparsen-Job für viele kritische Schüler bei Peter Zadeks Film "Ich bin ein Elefant, Madame", der 1969 die antiautoritären Aktivitäten eines Bremer Schülers beleuchtete.
Ein erster Bruch innerhalb der außerparlamentarischen Opposition (APO) entstand beim Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes unter Beteiligung der DDR in der Tschechoslowakei, deren Demokratisierung des Sozialismus unter Alexander Dubcek ("Prager Frühling") die Stalinisten insbesondere in der UdSSR nicht zulassen wollten. Bei der Demonstration der Bremer APO gegen diese Militäraktion standen einige alte Kämpfer gegen den Vietnamkrieg am Wegesrand und beschimpften die Demonstrtanten als "Agenten des Kapitalismus", die nicht verstanden hätten, dass der Imperialismus die Demokratisierung ín Prag nur wolle, um dem Sozialismus zu schaden. In der Endphase der Schülerbewegung sind dann viele Aktive trotzdem zur stalinistischen Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) gegangen, einge zu maoistischen Gruppen (vor allem zum Kommunistischen Bund Westdeutschland, KBW) und wenige zur Bremer Gruppe Arbeiterpolitik, einer vor allem im Stahlwerk von Klöckner verankerte Strömung in der Tradition der KPO (Kommunistische Partei - Opposition) der Weimarer Republik.
Die aktive Beteiligung der Bremer
Jungsozialisten (hier hat Olaf Dinné eine zentrale Rolle gespielt)
einerseits und die außerparlamentarischen Misserfolge
(die Verabschiedung der Notstandsgesetze war durch Demonstrationen nicht
zu verhindern) andererseits waren für
sehr wenige Aktive der Anlass zum Eintritt in die SPD. Die Idee dabei war, über die
Organisiation der innerparteilichen Opposition bei gleichzeitiger
Mobilisierung in der Gesellschaft ("Doppelstrategie") zuerst die SPD und
dann die Gesellschaft insgesamt zu verändern.